Marie Bothmer

Nach neun Jahren Musikkarriere – jetzt das große Statement: Marie Bothmer kündigt Debütalbum „Geb dir alles, stimmt so“ I“Ich bin fast schockiert“, sagt Marie Bothmer und meint damit die Tatsache, dass sie 29 Jahre alt sein wird, wenn 2025 ihr Debütalbum „Geb dir alles, stimmt so“ erscheint. Und tatsächlich wird es dann fast zehn Jahre her sein, seit sie 2016 mit dem Song „Es braucht Zeit“ ihre musikalische Karriere startete. Doch was ist ein Debütalbum? Es ist ein musikalischer Moment des Innehaltens. Und Innehalten, das war in den letzten Jahren nicht der Schwerpunkt im Leben und Schaffen der Marie Bothmer. Sie entwickelte sich beständig weiter, verarbeitete ihre Veränderungen in Songs, die ihr eine große Fangemeinde und Millionen von Streams einbrachten – und dachte dann, vor zwei Jahren: Jetzt ist der Moment für ihr Album gekommen. Sie hatte eine persönliche Zäsur hinter sich (schlimmer Heartbreak), fand in der Folge zu einem neuen Sound (frischer, jünger, wunderschön traurig) und war bereit für das erste große musikalische Statement. Daraus wurde dann aber nichts (Management- und Labelwechsel) – damals eine extrem frustrierende Erfahrung für Marie. Und rückblickend das Beste, was ihr passieren konnte. Wäre das Album vor zwei Jahren erschienen, wäre es ein sehr gutes Album gewesen. Das Album, das nun erscheinen wird, ist sogar noch ein bisschen mehr als das: „Dadurch, dass ich so viel Zeit hatte, darüber nachzudenken, habe ich gemerkt: Welche Songs höre ich selber gerne und welche will ich am liebsten skippen, wenn sie kommen? Vor zwei Jahren hätte ich wohl gesagt: Egal, dann sind da halt zwei, drei Songs, die ich nicht so mag. Jetzt habe ich einen ganz anderen künstlerischen Anspruch an mich.“ Das Resultat: Songs vom alten Tracklisting sind nicht mehr mit dabei, vier neue sind hinzugekommen, alle anderen wurden überarbeitet. Marie hat die vergangenen zwei Jahre genutzt, um intensiv an ihrem Handwerk zu arbeiten, Songs für sich und andere zu schreiben – und zu einem neuen Selbstverständnis zu finden: „Früher bin ich eher naiv an die Sache herangegangen, so nach dem Motto: ‚Ich mache Musik und schaue, was daraus wird.‘ Heute ist es viel mehr eine bewusste Entscheidung: ‚Ich habe dieses riesige Privileg, Kunst machen zu dürfen – und dazu noch Kunst, die andere Menschen interessiert.‘“ Auf den 10 Tracks von „Geb dir alles, stimmt so“ nimmt uns Marie Bothmer mit in die Lebenswelt einer 28-Jährigen in der Großstadt. Es ist die Lebenswelt einer Frau auf der Suche nach Liebe, Zerstreuung und sich selbst, zwischen FOMO und ROMO, unbeschwerten Nächten, die niemals enden sollen und Tagen, an denen das Gewicht der Welt schon morgens beim Aufwachen bleischwer wiegt. Die Texte holen einen dort ab, wo sie herkommen: dem echten Leben. Sie sind persönlich, relatable, voller guter, präziser Beobachtungen und lyrischer Aha-Momente, im Rap würde man sagen: Punchlines – und der Vergleich passt auch in anderer Hinsicht, denn Marie hört am liebsten 90er-Oldschool-Hip- Hop. Kaum verwunderlich, dass sich stilistische Anleihen aus dieser Zeit auf dem Album wiederfinden, dessen klangliches Spektrum ansonsten so breit gefächert ist wie die behandelten Themen: Dancey Club-Vibes, extrem frische Pop-Produktionen, handgemachte Singer-Songwriter-Klänge – es ist ein Album wie aus einem Guss, auf dem dennoch kein Song wie der vorherige klingt. So wie auch das wahre Leben zwischen verschiedenen Stimmungen und Vorlieben pendelt, je nachdem, mit welchem Fuß man zuerst aufgestanden ist.  Oder ob man gerade mal wieder Liebeskummer hat. So wie in „Taxi Driver“, der ersten Single. „Die Stadt is’ so grau und mein Herz is’ es auch“ – in dem Song nimmt uns Marie Bothmer mit auf eine nächtliche Taxifahrt durch die Großstadt. Während die Lichter an ihr vorbeiziehen, Baustellen im Rauch verschwimmen, versucht sie auf andere Gedanken zu kommen, ihren Liebeskummer für einen Moment zu vergessen. Das erweist sich als schwierig, denn überall in der Stadt sieht sie sein Gesicht – im wahrsten Sinne des Wortes, denn, so erzählt Marie: „Ich habe mal einen Schauspieler gedatet. Blöd war, dass er zu dieser Zeit einen Kinofilm rausbrachte und mich, als diese kleine Liaison endete, von jeder Litfaßsäule Berlins höhnisch angrinste und mich so an den Schmerz der Trennung erinnerte.“ Nach Hause will sie trotzdem nicht, denn dort ist sie allein. Und so bittet sie den „Taxi Driver“ um einen großzügigen Umweg, getragen von einer Produktion, die mit warm brummenden Bassflächen, getupften Pianoklängen und einem sanft treibenden Beat einen großartig nächtlichen, clubbigen Vibe verströmt.„‘Taxi Driver‘ ist einer meiner besten Songs. Und er ist ein sehr guter Anschluss an alles, was davor war“, sagt Marie mit Blick auf die letzte EP „Swimmingpool“ (2022), mit der sie zu ihrem heutigen Sound gefunden hat, „er hat eine krasse Melancholie, geht aber auch nach vorn.“ Ein weiterer Song des Albums, „Raketendicht“, ist thematisch so etwas wie der Prolog zu „Taxi Driver“. Es ist Silvester, Marie steht bei einer Party auf einem Balkon, und während sich auf der Straße Leute „Frohes Neues!“ zurufen, kullern bei ihr die Tränen in das Sektglas, „Pailletten aus Tränen auf meinem Gesicht / Vermischen sich leicht mit dem Discolicht.“ Um ihn zu vergessen, hilft Marie in dieser Nacht nur ein Filmriss, „ich mach mich heut’ noch raketendicht“. Und doch hofft sie insgeheim, dass am Ende alles gut wird: „Wenn ich nich’ mehr kann / Holst du mich dann ab / Oder gibst keinen Fick mehr?“ – zu schwebenden Klangflächen und einem Beat, in dem Maries gechoppte Vocals und nervös flackernde Elektronik den hypnotischen Unterbau bilden, beschert „Raketendicht“ einen wunderschön sentimentalen Start ins neue Jahr. (Und mal ehrlich: Wer wird an Silvester nicht regelmäßig ein wenig sentimental?) Doch es gibt auch Momente, in denen einfach alles perfekt und das Leben fantastisch ist. Davon handelt „Übernächtigt“, ein Song, der das Leben im Augenblick, die Magie der Nacht und die Verlockungen der Großstadt feiert. Und dass sich das alles am besten mit einem „partner in crime“ erleben lässt: „Herzen auf einer Frequenz / Akku auf einem Prozent / Ich will die Abende haben, von denen wir uns in ein paar Jahren erzählen“, singt Marie zu einer pulsierenden Produktion mit Afro-House-Einschlag. Das Leben, es schmeckt in diesen Momenten „so delicious“. Das gilt auch für „Sweetspot“, nach Maries Worten „eine Sommerromanze wie sie im Buche steht“, oder „Ego“, ein herrlich unbekümmerter Song, in dem sich Marie zur „Boss-Bitch“ stilisiert, die von Gräfin bis Linguistin alles kann (außer auf Kommando zu lächeln) und mit ihrem cuten Dress und ihrer Confidence den Boys Angst macht, dass ihre Girlfriends sie sitzen lassen. „Mein Ego is CEO / Ich nenn’ es auch the myth, the legend, the boss“, singt sie zu einer Produktion, die einen sommerlich-leichten Pop-Vibe versprüht. Zur Wahrheit oder besser: zur Person Marie Bothmer gehört aber auch, dass selbst in den vermeintlich leichten Momenten die Schwere nie ganz weg ist. Das ist kein Nachteil, im Gegenteil: Es verleiht ihren Songs eine Vielschichtigkeit, die man im Pop nicht oft findet. „Es schwingt immer eine kleine Anti-Haltung mit. Vielleicht hat es gerade deshalb diese Edge“, vermutet Marie. Beispiel „Ego“: Im Outro der verspielten Ego-Booster-Hymne sagt Marie völlig unvermittelt: „Mein Vater hat mich nie geliebt, das ist ganz klar.“ Ihr Vater ist auch andernorts auf dem Album Thema: In „Limbo“ erzählt sie von ihrem inneren Zwang, es immer allen recht machen zu müssen. Der Grund dafür? Für Marie ganz klar ihr Vater, „der mich zum People Pleaser erzogen hat. People zu pleasen, bis man am Boden liegt, ist wirklich nicht gut für den Selbstwert. Darüber hinaus ist es auch einfach manipulativ – ich halte es so schwer aus, wenn mich Menschen nicht mögen und gebe daher alles, um geliebt zu werden und das kann dazu führen, dass ich meinen eigenen Charakter verliere. Ich muss oft meine eigenen Bedürfnisse komplett herunterschrauben und die Limbostange quasi so niedrig halten, dass alle Grenzen, die ich hätte ziehen können, am Boden liegen“, sagt Marie, die inzwischen den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen hat. Auch so eine bewusste Entscheidung, die die Marie Bothmer des Jahres 2024 von der des Jahres 2023 unterscheidet. Ob sie Liebesdinge verarbeitet, Lebenslügen entlarvt oder sich wie in „Delusional“ mit toxischer Männlichkeit im Musikbusiness auseinandersetzt: Marie macht Kassensturz und lässt hinter sich, was ihr nicht gut getan hat. „Geb dir alles, stimmt so“ – der Titel könnte passender nicht sein (und ist wieder so eine großartige Punchline). Marie Bothmer legt ein Album vor, das inhaltlich stark und authentisch ist, klanglich maximal zeitgemäß und abwechslungsreich, emotional tiefgründig und zugleich ein Vibe. Es ist ein Album, das so nur von der Marie Bothmer des Jahres 2024 kommen kann. Sie selbst sieht das längst so: „Ich bin sehr froh, dass mein Debütalbum erst jetzt erscheint. Denn erst jetzt habe ich diese Reife. Ich wollte etwas Zeitloses schaffen. Ich hoffe, das ist mir mit diesen Songs gelungen.“ An den Songs des Albums hat Marie Bothmer unter anderem mit Blinker und Tom Thaler gearbeitet, als Produzenten waren Joschka Bender, Wanja Bierbaum, Torsten Schroth (capelli), A-Tunes und jaako beteiligt.

www.instagram.com/mariebothmer

www.facebook.com/mariebothmer