Mark Forster
Mark Forster
Mark Forster ist Popmacher. Er singt, komponiert und definiert Pop auf Deutsch derzeit so künstlerisch-anspruchsvoll und beispiellos-erfolgreich wie kein Zweiter. Quasi en passant schuf er in der vergangenen Dekade eine ganze Reihe Aphorismen von bleibendem Wert. Beispiel? „Au Revoir“! Was lange ausschließlich ein frankophoner Abschiedsgruß war, ist seit dem Emporkommen des Sympathischen mit Bart, Brille und Kappe zum allgemeingültigen Sinnspruch geworden. Das ist Pop. Yeah! Yeah! Yeah! Und jetzt? Wohin, wohin, Deutschpop? Der Kampf ums Überleben in Playlists ist mühsam geworden, das Beibehalten strenger Konsensregeln legt der kreativen Kurzform Popsong Fußketten an. Sie steckt, kurzum, gerade in der Sackgasse. Durchschaubare Langeweile macht sich breit. Und was macht Mark Forster auf seinem neuen, fünften Studioalbum MUSKETIERE Er bleibt er selbst, ist weder direkt noch indirekt für oder gegen Bestehendes, sondern jongliert mühelos durchs spannungsgeladene Feld der Daumen-Rauf- und Daumen-Runter-Symbolik; von den allgegenwärtigen Polen Wissen und Aberglauben ganz zu schweigen. Gleichwohl ist MUSKETIERE keine Platte eines Trotzigen. Sie ist das Manifest eines Liebenden, eines Verteidigers dessen, was er gerne mag: Pop, Leben und Freiheit. Steckt also doch Kampfbereitschaft in den zwölf neuen Songs? Ach was! Es sei denn, man begreift das zärtliche Gefühl als letzte Bastion der individuellen Entfaltung. Apropos Entfaltung. Es empfiehlt sich, MUSKETIERE komplett durchzuhören, als Ganzes zu empfinden. Das Album trägt nämlich eine Geschichte, beziehungsweise eigentlich gleich zwei ineinander verwobene Geschichten in sich. Wie alle guten Erzählungen, wartet MUSKETIERE mit Einleitung, Hauptteil und Schluss auf. Es kribbelt überall im Opener „Ok Wow“. Aus einem kleinen, alten Feuer wird ein Flächenbrand. Die Zweisamkeit beginnt. Am Anfang wacht der Protagonist an einem Ort auf, an dem er noch nie eingeschlafen war. Dem ersten Rausch der Sinne folgt Zweifel. Ein Schelm, wer denkt, dass die Musik dazu zwingend das Jetzt spiegeln muss! „Übermorgen“ erlöst von der Skepsis, und führt mittenrein in die Beziehung. „Leichtsinn“ öffnet klassischen Popsong-Strukturen mit kontemplativen Piano-Akkorden Türe und Toren - hip und frei von Datierbarkeit zugleich. Ein Kunststück! Ist die Pforte ins Paralleluniversum MUSKETIERE einmal passiert, lädt die Platte zum Lustwandeln durch begeisternde Perspektiven, treffsicher gewählte Symbolsprache und umarmende Arrangements ein. Die Ballade „Daheim“ feiert das Sublime im Ankommen. Er küsst ihre Hand. Nochmal: Er küsst ihre Hand! Der Feinsinn ergreift jede Pore, die Seelenverbindung steht: „Neue Zeiten, ein neues Buch mit neuen Seiten. Bye bye meine Suche, ich bleib, denn ich bin daheim“ „Freiheit ist Frieden“ - auch so eine Forster'sche Zeile, die wie gemacht ist für das Momentane. Ohne Freiheit kein Frieden, ohne Verantwortungsbewusstsein und Miteinander keine Freiheit. Das Große im Kleinen gefunden zu haben, beruhigt, schafft inneren Frieden, den Anker, nach dem oft im Externen gesucht wird. „Bist du Okay“ kehrt die Ruhe um. Es wird eng wie auf dem Dancefloor, der Puls ist von Angst durchzogen. Betäubung? Kein guter Ausweg! „Nur Ein Traum“ bricht, zunächst Cello-getrieben, später sinfonisch, mit der Furcht, einer Sinnestäuschung auf den Leim gegangen zu sein. Dem „Monster“, das vor der Türe, vor dem Haus, in der ganzen Stadt lungert, macht die Bettdecke Beine. Dem Typen in „Mellow Mellow“ macht die Melancholie seiner Liebe zu schaffen. Er wirkt vollkommen hilflos, der absurde Beat pulverisiert dazu die Schwere und pustet sie augenzwinkernd aus dem Raum. Inzwischen steuert MUSKETIERE unweigerlich dem Höhepunkt entgegen, der einen Songnamen trägt: „Die Gute Seite“. Der Blue-Eyed-Soul-Track tänzelt mitsamt Gospelchor entkrampfend-erhellend der Hoffnung entgegen. Zunehmend eindringlicher liegt schließlich Ewigkeit in der Luft. Im Titelsong „Musketiere“, der am Ende der Reise zur Liebe und all ihrer Wirrungen steht, endet die Zweisamkeit. Aus zwei Wesen werden drei, einem neuen Menschenkind sind nachdenkliche Zeilen gewidmet: „Noch ist die Erde zu groß für dich. Doch nicht für den, der du einmal wirst. Wie lange darf ich dich begleiten und das, was ich schon habe, mit dir teilen?“ MUSKETIERE ist fraglos Mark Forsters bislang persönlichste Platte. Neu gewonnene Erfahrungen, echte Gefühle, die direkt aus seinem Herzen stammen, lässt er darin mitfühlen, an ihnen teilhaben. Sie erklären möchte er nicht. Wozu auch? Songs erklären sich bestenfalls selbst, Zuhörer*innen müssen ihrer Vorstellungskräfte, ihrer Denk- und Gefühlsvermögen nicht beraubt werden. Pop war immer Projektionsfläche für Sehnsüchte, Illusionen, Hoffnungen, das Aufzeigen von Miteinander-Alternativen der Selbstbestimmten. Last but not least, bleibt er die haltende Hand der Imagination. MUSKETIERE ist vieles von all dem, denn seine Einzelteile sind lupenreine Popmusik, deren lyrische und klangliche Geschichten zusammengefunden haben. Mark Forster ist viel am Teilen seiner wahrhaftigen Erlebnisse gelegen. Er artikuliert sie maximal offen, fördert das Senden und Empfangen von Emotionen zwischen sich und der Außenwelt wohlwollend-poetisch. Es gehört schon was dazu, im Zeitalter der Marktschreier ins Ohr eines anderen Menschen flüstern zu wollen, weil das Ohr an sich ein Faszinosum ist. Es bedarf Mut, Intimität in der Epoche der geteilten, digitalen Fotoalben zuzulassen. Die Zweisamkeit, oder auch das Zusammenleben von zwei Großen und einem Kleinen, ist heute vielleicht mehr denn je eine Art versteckt operierender Geheimdienst. MUSKETIERE lässt sich darauf ein. Gerne sogar. Denn nichts ist dämlicher, auch entmenschlichender als (Selbst-) Entlarvung. Fragt man ihn nach einem Untertitel für „Musketiere“, muss Mark Forster nicht lange fackeln: „Jede Beziehung ist ein Geheimnis, über das ich gerne singe. Aber ich möchte nicht über alles labern.“ Auch das ist so ne Liebeserklärung, die er an einen Menschen richtet, an zwei, oder vielleicht auch an alle, die etwas fühlen wollen. Erfüllt MUSKETIERE dieses Ansinnen, meint Mark Forster, habe er, der Popmacher, sein Ziel erreicht.
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