Grossstadtgeflüster

Grossstadtgeflüster, die Berliner Band, die seit 2003 den Bogen des guten Geschmacks von beiden Seiten überspannt ist nicht zurück, sondern immer noch da. Mit neuem Stoff im Handgepäck. „Das Über-Icke“ ist das 7. Studioalbum der Kapelle, das sich gelernten Kategorien ein weiteres mal auf höchst freudvolle Art und Weise verweigert. Zuverlässig sind Jen Bender (Vox), Raphael Schalz (Keys) und Chriz Falk (Drums) auch auf den 14 Nummern des neuen Albums eigentlich nur in ihrer Unberechenbarkeit, wie das nächste Lied wohl klingen wird. Ist man gerade noch auf dem Rave ihres Brechers „Ich kündige“, schmiegt man sich bei promillegeschwängerten „Huckepack“ an seinen Lieblingsmensch um kurz danach bei „Leben am Limit“ selbstironisch die eigene Anti-Krassheit zu betanzen. Ist hier noch „Icke!“ die überbordende pure Lust des Seins folgt mit dem wunderbaren Chanson „Matrjoschka“ eine Einladung, die eigene Wahrheit in Frage zu stellen. Garniert von stilistischen Querschlägern und U-Turns, ‚ner Menge Synthies und einem latenten Hang zur Exzentrik landet man dann später bei dem völlig wahnsinnigen „Da lang!?“, einer im wahrsten Sinne des Wortes Bohemian Schnapsidee. Kontrastiert wird das ganze mehr denn je und immer wieder mit Melodiebögen wie aus den kommunistischen Archiv-Kartons der 3-Groschenoper. Hildegard Knef und Otto Reuter lassen grüßen. Und den roten Faden bilden die, 2022 mit dem GEMA-Musik-Autorenpreis ausgezeichneten Texte, die sich traditionell zu einem Geflecht aus Wortwitz, Ironie, Doppelreimen, Meta-Ebenen und Punchlines zwischen philosophischem Tiefgang und Rummelbumskalenderblättern zusammensetzen. Die Hymnen von Grossstadtgeflüster sind tanzende Unabhängigkeitserklärungen, kopfnickende Befreiungsschläge von gesellschaftlichem oder selbstgemachtem Erwartungsdruck, pogende Ping-Pongs zwischen Größenwahn und Scheitern. Mit einem argwöhnischen Auge auf die ganze Spezies Mensch und einem liebenden Auge auf das Individuum wird seit zwei Jahrzehnten die Ambivalenz der Existenz zelebriert. Aber nie wird mit dem Finger auf andere gezeigt, geschweige denn nach unten getreten. Die Zahlen sprechen für sich...Weit über 100 Millionen Klicks alleine auf Spotify und über 50 Millionen Views auf YouTube, eine etablierte Partyinstanz auf den landesweiten Festivals, die letzten zwei Hallen-Touren komplett ausverkauft...dazu wunderbare Features mit Künstler/innen wie Danger Dan, Mine oder Fatoni. Und zu ihren Evergreens wie „Fickt-Euch-Allee“, „Feierabend“, „Diadem“ oder „Ich muss garnix“ werden sich wohl mit diesem Album ein paar Geschwister dazugesellen. Jen Bender, die überlebensgroße 1,59 kleine Frontfrau von Grossstadtgeflüster, Berliner Pflanze mit Berliner Schnauze, ist dabei die personifizierte Antithese zum filterverseuchten Social-Media-Zeitalter. Als wäre sie als Kind in einen Topf kaputter Kabel gefallen, poltert Jen über jede Bühne und wirkt in ihrem entschiedenen Prokrastinieren von Reifeprozessen schon fast altersweise. Sie singt, sie flext, sie spittet, sie grölt, macht Beats, komponiert und schreibt für sich selbst und andere. Sie tritt allein dadurch all jenen die sich in ihrer altbewährten Ordnung gestört fühlen geflissentlich in den Allerwertesten und bietet damit ganz nebenbei als Frau mehr Identifikationspotential als jede strassbehangene Feminismusfahne. Kurz, sie bietet eine alternative Frauenrolle an, bei der Siegmund Freud verunsichert nach seiner Mutter rufen würde. Die Ampeln stehen also auf neongrün für die nächste Rutschpartie. „DAS ÜBER-ICKE“ Album erscheint am 09.02.2024.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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