Antje Schomaker
Antje Schomaker
Antje Schomaker muss gar nichts. Damit das erstmal klar ist. Aber sie will viel, im Grunde alles, und landet beim Weg dorthin immer wieder bei sich selbst – und in den Charts. Mit einer Mischung aus Talent, Energie, Humor und einer geheimen vierten Sache (vielleicht schreibt sie mal einen Song darüber). Nachdem es ihr ein Jahr lang aus strukturellen Gründen nicht möglich war, Musik zu veröffentlichen, ist sie jetzt zurück und ihr zweites Album “Snacks” erscheint im Herbst 2023. Die ersten Erfolge feiert sie 2016 mit ihrer Debütsingle “Bis mich jemand findet”, danach wurden “Ganoven” und “Gotham City” zu kleinen Hits in der Indie-Szene. Emotionale, pointierte Texte und die Stimme mit dem samtigen Timbre sorgen für einen hohen Wiedererkennungswert, was Fachsprache ist für: Alle sind verliebt in Antje. 2018 erscheint das Debütalbum “Von Helden und Halunken”, das von Kritiker:innen als der lang ersehnte frische Wind in der deutschsprachigen Musiklandschaft gefeiert und vom Publikum textsicher bestätigt wird. Doch bereits in der Antje von damals, der Frau mit langen roten Haaren und Akustikgitarre in der Hand, ist noch eine andere Energie. Vielleicht war es einfach Zeit, vielleicht tat der Umzug von Hamburg nach Berlin sein Übriges, aber seit 2020 klingt Antje Schomaker mehr nach Festival-Mainstage als nach Zeltplatz, mehr nach großem deutschem Pop als nach Nischen-Act. Im Video zum Break-Up-Song “Verschwendete Zeit” schneidet sie sich 2020 die hüftlangen Haare ab und es wird klar, dass es eigentlich eine Liebeserklärung ans eigene Leben ist. Das Haar wird gespendet und die Single ein Hit. Genauso wie “Auf Augenhöhe”, ein vielstimmiges feministisches Statement mit Unterstützung von 124 Frauen und non binären Musiker:innen, um auf die sexistische Benachteiligung weiblich gelesener Musiker:innen in der Branche aufmerksam zu machen. Antje Schomaker schafft es, Widerstand außerhalb von leeren Parolen stattfinden zu lassen und gleichzeitig die unmissverständliche politische Botschaft künstlerisch zu zentrieren. Aber wie gesagt: Antje Schomaker muss gar nichts. Denn das 2021 erschienene “Ich muss gar nichts” ist der erhobene Mittelfinger an die hit- und geldfixierte Musikindustrie mit perforierter Nasenscheidewand. Die poppige 80s-Hymne mit Zeilen wie “Ich muss mich anstrengen, aber nicht zu anstrengend sein/ Mich sexy anziehen, aber darf auch nicht zu anziehend sein/ Ich muss dünn sein, aber lieber auch nicht zu dünn/ Muss mir anhören, Sexismus ist doch gar nicht so schlimm” bringt sie das Dilemma auf den Punkt, für Frauen, ganz egal wo auf der Welt. Und egal in welchem Kontext, der Song wurde live genauso gefeiert wie als viraler Sound auf TikTok. Wer dachte, jetzt sei mal genug mit Gegenwind, der sollte sich besser die Skinny Jeans ganz eng schnallen: Die Single “Indie Boy” (2023) rechnet ab mit den Peter Pans dieser Welt, die irgendwo zwischen Julian Casablancas und spitzen Lederboots hängengeblieben sind und emotional mehr Schaden anrichten als die erste Staffel “Skins”. Aber sie ist gleichzeitig so tanzbar, dass beim Hören ganz bestimmt auch die ein oder andere Wunde heilt, die das Coming of Age hinterlassen hat. Und genau das ist das Einzigartige an Antje Schomaker: Das unbeirrbare Vorwärts in ihrer Musik, die klaren Grenzen gegenüber allen, die sie kleiner sehen wollen, als sie ist und das unbedingte Ja zur eigenen Haltung, Stimme und Vision. Und klar verweigert sie sich der seelenlosen deutschen Hit-Maschinerie. Aber es hindert sie nicht daran, trotzdem am laufenden Band welche zu produzieren – eben auf ihre eigene Weise. Mit den richtigen Leuten, im eigenen Rhythmus, für die eigene Geschichte. Und ist damit vielleicht Deutschlands echtester Popstar.
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