Toni Kater
Toni Kater
„Jeder ist anders betrunken, und jeder ist anders allein...“ Mit diesen berührenden Zeilen über das Anderssein eröffnet Toni Kater ihr neues Album „Eigentum“ und trifft damit auch gleich den Kern einer gesellschaftlichen Entwicklung, die uns alle stets zu immer mehr Individualisierung antreibt und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Geborgenheit doch nur vergrößert. Und wie der Album-Opener, so kreisen auch die anderen 11 Songs, die sich auf dem mittlerweile vierten Studioalbum der Berliner Künstlerin versammeln, um große, gesellschaftliche aber auch ganz persönliche Themen. Gentrifizierung, Unterdrückung von Frauen und Kapitalismuskritik werden genauso verhandelt wie der Verlust eines geliebten Menschen und die Ohnmacht, mit der man manchmal dem Lauf der Dinge gegenübersteht. Mit melancholischem Scharfsinn und Humor reflektiert Toni Kater den ganzen Wahnsinn, der ihren und unseren Alltag bestimmt. Doch noch während ihr Blick auf die Straße gerichtet ist, greift sie immer auch nach den Sternen, verwebt die Hoffnung auf Besserung noch im kritischsten Text. Anfang des Jahrtausends machte Toni Kater mit „Wo bist Du?“, veröffentlicht auf dem 2raumwohnung Label it-sounds, Furore. Es war ihr Einstieg als Musikerin. Sie hat viel gelernt in dieser Zeit. Auch, dass die große Plattenindustrie für sie und ihre Kunst nicht das richtige Umfeld war, sie zu sehr einengte. Sie kehrte ihr den Rücken und gründete konsequent ihr eigenes Label. Das zweite Leben der Toni Kater nahm von hier seinen Lauf. Zwei weitere Alben, „Futter“ und „Sie fiel vom Himmel“, hat sie nach dem Debütalbum „Gegen die Zeit“ veröffentlicht. Aber sie hat auch ein Album mit Weihnachtsliedern und Klaviermusik aufgenommen, zwei Fabelbücher veröffentlicht und Musik für Film und Theater komponiert. Der Schritt in die Unabhängigkeit hat sich für Toni gelohnt und sie genießt und nutz ihre Freiheit in vollen Zügen. Trotzdem hat sie sich für das neue Album zu einer Zusammenarbeit mit dem von Peter Plate (Rosenstolz) gegründeten Label pop-out Musik entschieden. Denn auch wenn es von Vorteil ist, die Kontrolle zu behalten, tut es ebeso gut, sich auf andere ein- und zu verlassen, wenn es darum geht, dem eigenen Baby den bestmöglichen Start ins Leben zu geben, denn abenteuerlich waren schon die Umstände, unter denen das Album produziert wurde. Dreimal brach die Decke in ihrem Studio zu Hause durch, weil über ihr ein Dachstuhl zu Luxuswohnungen ausgebaut wurde. Nur knapp konnte Toni Kater ihr Laptop vom Tisch retten und in einem befreundeten Studio in Kreuzberg unterkommen. Zusammen mit ihrer Bandkollegin Karen Bolage (Bass, Gitarre, Klavier) konnte sie aber auch in dem von ihr sehr geschätzten Candybomber Studio experimentieren, wo das Album später dann auch gemischt und gemastert wurde. Auf der Suche nach dem Besonderen entdeckten sie dort ihre gemeinsame Liebe zu einem Synthesizer aus den 30er Jahren, der für Überraschungen mit Eigenleben sorgte. Aggressiv, knurrend mischt sich die Clavioline jetzt störend in wohlklingende Lieder und gibt Tonis Musik eine ganz neue Farbe, die die Themen der kritischen Texte unterstreicht. Doch steckt bei aller Kritik auch immer etwas Witz in ihrer Wortwahl. Statt mit erhobenem Zeigefinger über die Veränderungen in der Welt zu schimpfen, gelingt es Toni Kater kleine Geschichten zu erfinden, die auf den ersten Blick ganz harmlos daherkommen. So klingt „Panzer“ zunächst fast wie ein hübsches Kinderlied, obwohl es doch die Rüstungsexporte des drittgrößten Waffenlieferanten der Welt thematisiert. Im titelgebenden Song „N.Y. ist tot-(Eigentum)“ dokumentiert sie die Totsanierung der Großstädte und die damit einhergehende Vertreibung von Kreativität und Lebendigkeit. In „Heuschrecken“ wird auf fast apokalyptische Weise das biblische Thema behandelt, das in der Gegenwart in einem ganz neuen Kontext aufleuchtet, "India" dagegen ist gnadenlos offensiv und geradeheraus: "Was für ein Gott soll sich so was ausdenken? Erfinde bitte einen anderen…" nämlich einen, der Frauen nirgends auf der Welt als Menschen zweiter Klasse behandelt. So vielseitig die Inhalte der Songtexte sind, so eigenwillig, abwechslungsreich und ungewohnt ist auch die Musik auf „Eigentum“. Neben klassischen Instrumentierungen spinnt Toni Kater immer wieder auch atmosphärische Soundwelten am Synthesizer. Es klöppelt, klingelt, zirpt, schlurft, pfeift und gurgelt über Beats und großen Melodien. Manchmal verschlägt es einem glatt den Atem, wenn sich eine kleine Klaviermelodie („Normal“) zusammen mit ein paar Synthesizer-Flächen zu etwas aufschwingt, das bei aller Schlichtheit wie ein ganzes Symphonie Orchester daherkommt und am Ende wieder ganz klein und leise wird. Toni Katers Musik einzuordnen, war noch nie leicht. In den in Deutschland so geliebten Schubladen findet sie keinen Platz. Sie fällt überall heraus. So wie sie fast überall wieder rausfallen will. Um nicht stillzustehen. Um den Blick nach unten und nach oben immer wach zu halten. Ihre Musik ist kein reiner Pop, kein klassisches Singersongwriting. Für Kategorien ist ihr Kosmos einfach viel zu eckig, viel zu abwegig und unsystematisch. Aber ist es nicht genau das, worum es geht? Seine eigene Welt sein?
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