Robin AM

Es ist eine gute Zeit für Apokalyptiker. Aus den alten Rissen sind Gräben geworden, bei denen es schon längst nicht mehr ums Brückenbauen geht, sondern nur noch um notdürftige Maßnahmen, die verhindern, dass alles endgültig auseinanderbricht. Aber noch viel mehr es ist Zeit für die Wahrnehmenden, die Wissenden, die eigentlich Wohlwollenden, die noch nie so ungern Recht hatten wie heute und sich die Laune jetzt erst nicht verderben lassen. Es ist Zeit für Robin AM. Was er schon mit seiner Debut-EP „Manipuliert uns“ versprochen hat, löst er nicht nur ein, sondern legt noch ordentlich was drauf. Der Song „Diese Stadt ist nur Kulisse“ ist eine Hommage an das nervige Ungetüm aus Stein, an dem wir uns immer reiben können und müssen und das gerade deshalb der beste Ausgangspunkt für jedes Abenteuer ist. Vermeintlich oberflächliche Ödnis, tatsächlich Ort und Hort der Freiheit. Dabei klopft Robin AM das große Thema Stadt von allen Seiten ab und entführt uns dann auch mal in die Vororthölle aus Kleingärten und Großstadtträumen. In Hotel New York bereitet er seine Flucht aus der dörflichen Leere vor, musikalisch druckvoll untermalt mit einem Brett aus Bass und Hall und flirrenden Gitarren. Eine schöne versteckte Liebeserklärung an die urbane Urmutter New York, wen wohl auch nicht an jene von heute, sondern an die von Lou Reed, Bob Dylan und Konsorten. Im besten Dylanschen Sinne ruft der politische Song „Zwischen den Kameras und den Scannern“ zum Widerstand gegen den Überwachungswahnsinn auf und führt so den weltweiten Schriftsteller-Appell "Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter" musikalisch weiter. Dabei schlägt er den Bogen weit vom Familienvater zur großen Weltpolitik und schafft das textliche Kunststück, jeden antiamerikanischen Mainstream elegant zu umschiffen. Es geht um die Freiheit unserer Kinder, Idioten. An jüngeren Generationen dürfte er auch bei der Zeile "Das Leben muss vor dem Tod erledigt werden" aus "Wir lieben diese Plätze" gedacht haben. In dem persönlichen Song setzt sich Robin AM mit jener Zerrissenheit auseinander, die in jungen Jahren beginnt und in den späten noch lange nicht endet. Es ist erst vorbei, wenn es ganz vorbei ist, Sohn. Robin AM beweist sich aufs Neue als aufmerksamer Flaneur, der weder den ganz großen noch den persönlichsten Themen aus dem Weg geht. Der Zuhörer geht begeistert mit und freut sich über reichlich Raum zum Denken und Weiterdenken. Musikalisch bleibt er der für ihn typischen feinen Überdosierung aus hymnischen Synthiesounds, rollenden Basspuren und unerhört schönen Melodien treu. Eine Klangkathedrale aus Noise Pop, die Kevin Shields und Bob Dylan huldigt und in der das hohe Lied der sperrigen Schönheit zelebriert wird. Und aus der man, wenn überhaupt, nur mit heftigem Kopfnicken wieder herausfindet. Also weiter im "Stechschritt bis zur Endstation", und das Beste aus diesem wunderbaren Wimpernschlag machen, den wir unser Leben nennen.

 

 

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