Rec-Z

Hör mal, wer da hämmert! Es ist Rec-Z aus Hannover, mit seinem Album „Marke Eigenbau“. Dabei ist der Titel Programm. Auf seinem zweiten Album hat der 30-jährige MC wahrlich fast alles alleine zusammengezimmert. Dabei spielt es keine Rolle, ob er sich selbst aufnimmt, seine Songs selbst mischt, die Instrumentals mitproduziert, beim Mastering des Albums mitwirkt, die Zeichnungen fürs Cover selbst anfertigt und die Gestaltung des Artworks und Booklets dirigiert, oder die Videokonzeptionen entwickelt, selbst auch mal Kamera führt oder den Schnitt übernimmt. Dass er der alleinige Verfasser seiner Texte ist, versteht sich da natürlich von selbst. Mal ehrlich, wenn Rec-Z sich selbst einen Perfektionisten nennt, dann ist das wohl mehr als geschmeichelt. Das klingt eher nach Kontrollfreak! Doch dazu zuckt Rec-Z nur schmunzelnd mit den Schultern und meint: „Ja, es waren ein paar Angebote da, es gibt schon Ansprechpartner und Feedback, aber ich bin, wenn es um meine Musik geht, einfach gerne der Entscheider.“ Was macht nun so ein Entscheider-Typ für eine Art Rap? In seinem Song „Prototypen“ rappt er mit allem nötigen Selbstbewusstsein: „Wenn du ganz normale Scheiße rappst, ist die Konsequenz, dass keiner deine ganz normale Scheiße für besonders hält.“ Was oft übersehen wird: In Zeiten von zu vielen inhaltsleeren Hypes und überall verräterisch schillernder Oberflächlichkeit, kann Normalität auch wieder eine starke Marke sein. Rec-Z betont, es geht ihm in seiner Musik um Persönlichkeit, es ist ihm wichtig, hinter jeder Aussage stehen zu können. Gut ist, dass es sich dabei beileibe nicht alles nur um ihn dreht, sondern er vor allem die Schicksale und Potenziale der Menschen um sich herum im Blick hat. Da ist zum Beispiel die Single „Dietrich“. Es geht in dem Song nicht um einen Mann namens „Dietrich“, sondern darum, den Schlüssel für ein glückliches Leben in der realen Welt statt nur in der virtuellen zu suchen. Der Hintergrund dazu ist, dass die Freundin von Rec-Z einen sehr zurückgezogenen Hacker als Nachbarn hatte, der im Keller eine Gas-Bombe gebaut hat und dafür später ins Gefängnis kam. Die abstrahierte Message des Songs erreicht einen aber nicht direkt, sondern eher zwischen den Zeilen, was den Song auch als eine Hymne für Zocker prädestiniert. Oder da wäre auch die erste Single „Vampire“, in der Rec-Z (obwohl er nach eigener Aussage noch nie einen Vampir-Film geguckt hat) das Bild einer Gruppe von Menschen skizziert, die ein festes Zusammengehörigkeitsgefühl besitzen, aber dennoch einen Außenseiter-Status in der Gesellschaft. Der Song ist eine Ode an jede Subkultur, oder Szene, die einfach ihr Ding macht. Zwischen den Zeilen lesen muss man auch beim Song „Geisterfahrer“, in dem Rec-Z sich mit den Gegensätzen bzw. Widersprüchen auseinandersetzt, die in seiner Generation und auch bei den Jüngeren vorherrschen. Es gibt viele Phänomene, die gleichzeitig positiv hervorgehoben, aber auch kritisiert werden. Es kommt nur auf den Blickwinkel und die Formulierung an. Wer als Hörer aus dem Song rausgeht mit dem Vorsatz mehr gegen den Strom zu denken und ggfs. auch zu handeln, der hat gut zugehört. Der persönliche Song „Stimme" bildet neben den vielen Storytellern und Thementracks fast schon eine Ausnahme. Rec-Z beschreibt darin den Drang danach, in jeder Lebenssituation auf sein Bauchgefühl zu hören und den Kopf einfach auszuschalten. Er erklärt: „Wir sind in der heutigen Welt durch so viele Gesetze und Grenzen eingeschränkt, dass wir ständig darauf angewiesen sind, rational zu denken und auf 'Nummer sicher' zu gehen, anstatt auf unsere innere Stimme zu hören.“  Die Textzeile „Ich würd’ so viel tun, wenn ich den Mut meiner Stimme hätte“ zeigt, dass auch Rec-Z sich nicht immer ganz sicher ist, ob er auf seinen Bauch, oder doch eher auf den Kopf hören soll. Diese vier Songs werden im Rahmen des Album-Release alle auch als Video veröffentlicht. Dazu gesellt sich außerdem noch der Song „Magisches Dreieck“, bei dem die beiden Langzeit-Weggefährten Calli & Scotch mit an Bord sind und nochmal zurück in die gemeinsame Battlerap-Vergangenheit schauen. Damit schließt sich für Rec-Z, wie er erklärt, auch ein Kreis, denn dieses Album hat sich in den letzten drei Jahren ohne großen Druck und mit viel Geduld einfach entwickelt und präsentiert einen weiter gereiften Künstler, der seine Wurzeln aber immer noch feiert und mit diesem Song gekonnt in die Jetztzeit holt. Als Featuregäste mit dabei sind neben den quasi zum Rec-Z-Inventar gehörenden Scotch und Calli auf „Magisches Dreieck“ auch End, Mavgic, Lumaraa, Duzoe und Kico auf dem Posse-Track „Meine Texte sind“. Auf „Geisterfahrer“ wirken Daniel und David von den Intono-Labelkollegen Kollektiv22 mit. Sängerin Alina Bach leiht dem Refrain von „Heimatlos“ ihre mitreißende Stimme. Und schließlich ist da noch B-Chris zu nennen, der schon so lange und so viele Songs zusammen mit Rec-Z gemacht hat, dass der Kollege einfach nicht fehlen durfte („Bauarbeiter“). Die Instrumentals stammen - und das ist beim Titel „Marke Eigenbau“ zwar Programm, aber für Rec-Z auch eine Premiere - von durchgängig nur zwei Personen, von denen Multifunktionswerkzeug Rec-Z selbstverständlich eine ist. Die andere Person ist Perino, sein Produzent aus der Schweiz, den Rec-Z schon als 14-Jährigen übers Internet kennengelernt hat. Bei einem Besuch vor drei Jahren entschieden sie, konsequent zusammen zu arbeiten. Deshalb klingt das Album auch wie aus einem Guss. Trotzdem ist es abwechslungsreich, egal ob es organischer wird mit Live-Instrumenten, oder auch mal trappiger, oder ob es einfach nur nach HipHop klingt. Das wichtigste Kriterium für beide war bei dieser Platte, dass die Beats live funktionieren. Man merkt wie hoch der Grad der Zufriedenheit bei Rec-Z ist, wenn er über das fertige Produkt spricht. Wie die Werbung einer großen Baumarkt-Kette suggeriert, nämlich dass wahres Handwerken aus einem selbst heraus kommt, und nicht weil etwas repariert werden muss, so lässt sich auch Rec-Z´s Beziehung zur Musik betrachten. Es ist in ihm. Er lässt es raus. Weil er muss. Und sollte die „Marke Eigenbau“ erfolgreich sein, so wird er die Bekanntheit auch umarmen. Doch das Wichtigste ist dem Tüftler schlicht die Anerkennung derjenigen, die wirklich hinhören. Deshalb wird die Musik für Rec-Z auch immer da sein, auch über sein eigenes Schaffen hinaus. Mit dem selbst aufgebauten Studio (selbstverständlich!) bietet er Recording, Mixing und Mastering für andere Musiker an und arbeitet nebenbei für eine Musikschule, in der er Teachings und Workshops, u. a. zu Themen wie Songwriting, Reimtechnik und Live-Rap gibt. Was HipHop ihn gelehrt hat, das gibt er weiter: Each one teach one. Oder wie die oben bereits erwähnte Baumarktkette den Nagel auf den Kopf trifft: Es gibt immer was zu tun. Für Rec-Z als nächstes dann auch eine kleine Club-Tour durch vier Städte, auf der er zusammen mit seinem Gitarristen das neue Album präsentieren wird.

 

 

 

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