Paula
Paula
Joni Mitchell sang einst in dem besten Song aller Zeiten, dass man nicht wisse, was man habe, bis es nicht mehr da sei. Daran erinnert man sich, wenn man die Lieder der neuen Paula-Platte hört. Sie waren ein paar Jahre weg und sind nun in der Urbesetzung - Elke Brauweiler und Berend Intelmann - wieder zurück. Ein Comeback ist das nicht. Das Wesen von Comebacks ist in mehr Fällen als nicht, dass Bands eine stark verwässerte Version ihres eigenen Selbst heraufbeschwören und dabei deutlich vergessen haben, auf den Kalender zu sehen. Nicht so Paula. Das schlicht „Paula“ genannte Oeuvre erwischt einen auf dem falschen und damit richtigen Fuß. Berend Intelmann war schon vor fünfzehn Jahren jemand, der Lieder anders schreibt. Und da er nie aufgehört hat, moderne Popmusik zu produzieren, klingen diese neuen Paula-Lieder frischer als am Wegesrand gepflückte Blumen. Alles liegt in einem Bett aus Synthesizern, das genau so in einem Zimmer der Band Chvrches stehen könnte. Vor allem aber hat das Berliner Duo Melodien erschaffen, die nicht nach hab-ich-schon-und-kenn-ich- doch klingen. Alles strahlt sonderbar klar. Im Lied „Bangkok“ setzt sich, wie bei anderen Titeln auch, ein zweiter Refrain auf den ersten, wenn sich das Pop-Glück längst in einem verbreitet hat. „Vergessen“ puckert und zischt sorglos und darf künftig bei keiner Nachtfahrt im Auto fehlen. Das „oh-oh-oh“ von „Ins Wasser gehen“ beweist, wie einfach ein Ohrwurm klingen, wie groß ein kleines Thema inszeniert werden kann. Und beinhaltet die schönen Zeilen „Wir gingen rein, wir gingen raus / durstig, schmutzig und verbraucht / wir suchten nichts und fanden viel.“ Was uns zur Achillesferse deutscher Popmusik führt: den Texten. Mit Erleichterung hört man hier (öfter als früher übrigens) beide zusammen singen, über die heimliche-unheimliche Liebe zu Berlin („Bangkok“), über das unrühmliche Verglühen einer Beziehung in „Was für ein Ende“ oder das miserable Gefühl , immer mehr auf artifizielle Unterhaltung angewiesen zu sein („Entertainment“). Die erste Single „In Farbe sehen“ ist ein Ausrufezeichen von Liebeslied, so leichtfüßig arrangiert, so clever aufgebaut, mit nur den richtigen Worten bestückt und herzzerreißend gesungen. „Dunkle Nacht“ dreht sich um eine echte Traurigkeit, die keine Spuren der elenden Befindlichkeitslyrik enthält, derer sich so viele Emporkömmlinge bedienen, um ihre Gefühle mit dem Spaten in die Erde zu ritzen. Das vielleicht schönste an der neuen Paula-Platte aber sind die Stimmen. Elke Brauweiler singt klarer, heller, schöner, gleichzeitig verletzlicher und selbstbewusster, intimer und extrovertierter als je zuvor, jederzeit wiederzuerkennen. Signifikant Paula, verbunden mit diesen Songs wie die Pedale mit einem Fahrrad. Hinzu gesellt sich die nüchterne, perfekt dazu passende Stimme Intelmanns, die einem mit jedem Wort vermittelt: das Gesungene ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Die man schon kannte, nur eben nicht ausdrücken konnte. Paula lebt schon immer hier und ist trotzdem neu in der Stadt. Sie ist aufregend, aufgeregt, will berichten, was passiert ist. Man hört ihr die dazu gewonnenen Jahre unterm Gürtel an. Den Charakter der zurückgelegten Schritte. Das Dahinter in jeder Silbe. Jetzt erst wird klar, wie sehr wir sie vermissten, als wir sie nicht hatten. "You never know what you’ve got til it’s gone." „Warum bin ich hier und nicht in Bangkok?“, singen sie. Wenn doch nur jede Frage so einfach zu beantworten wäre.
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