Paul Jacobi
Paul Jacobi
23 m², ganz oben, im 5. Stock dieses Hauses in der Mannheimer Hafenstraße. Eine Gegend, so wunderschön und abgefucked zugleich. Aus dem Fenster hat man den besten Blick auf die blauen Neonlichter der Aral-Tankstelle und den malerischen Sonnenuntergang über dem dreckigen Verbindungskanal. Wenn man sich umdreht, sitzt da dieses Mädchen auf der Bettkante und guckt einen verträumt an. Während sich im Hintergrund die Stimmen der diskutierenden Mafiosi vor dem Eckcafé mit den Beats aus den Bluetooth-Boxen der Studenten mischen, wird es hier drinnen immer enger, kommen die Wände näher und näher und drohen schließlich, einen zu zermalmen. Der Platz in so einer Einzimmerwohnung kann so erdrückend eng werden, wenn Ängste und Depressionen zu Besuch sind. Doch der kleine Raum zwischen Bett und Couch wirkt wie ein Palast, wenn man es schafft diese ungebetenen Gäste zu verjagen, seine Zukunft in die Hand nimmt und die erste echte Liebe mit einem knutschend durchs Zimmer tanzt. Musikalisch bewegt das Debütrelease von Paul Jacobi sich zwischen super eingängigen Pop-Hooklines, melodiösen Rap-Flows und einem Hauch von 2023er-R&B und erzählt aus einem Leben, das genauso stattgefunden hat. Von zwei Menschen, die einander und auch sich selbst kennenlernen. Paul Jacobi erzählt von alldem nicht in ewiggleichen Floskeln und Plattitüden, sondern persönlichen Beobachtungen. Besonders, berührend und doch von solcher Dringlichkeit, dass es einem Mal die Kehle zuschnürt und dann wieder das Herz höher schlagen lässt. All das kommt nicht von ungefähr. Paul Jacobi wird 1995 in Hamburg geboren. Schon in der Grundschule tauscht er eine Stunde Mathe gegen das Singen im Chor. „Ein guter Deal“, sagt er heute. Zuhause laufen wegen der Eltern die Beatles und Bob Marley, Stevie Wonder und Ray Charles, aber auch Udo Jürgens und Zara Leander und in Pauls Kinderzimmer natürlich Eminem, 50 Cent, Usher und irgendwann Samy Deluxe. Aus diesen popkulturellen Fixpunkten zwischen dem was war und dem was ist, sowie der Liebe für Lyrik der Mutter entstehen nach und nach ein Gespür für Melodien und der Mut, das alles vielleicht auch selbst mal zu probieren. Und Paul folgt der Musik. Von Hamburg nach Hannover, über Berlin nach Mannheim und schließlich wieder nach Berlin zurück. Er schreibt jetzt viel für andere Künstler:innen aus diverse Genres „Eine sehr lehrreiche Zeit“, blickt er zurück, „aber auch eine, in der ich nach und nach meine eigene Musik vernachlässigt habe und unzufrieden wurde“ Als Paul das erkennt, stürzt ihn das in eine Identitätskrise, auf die schließlich Depressionen und Angststörungen folgen – und doch entscheidet er sich wieder für Musik, eigene Musik. Paul zieht erst nach Mannheim und wo er auch das Mädchen mit der Einzimmerwohnung kennenlernt, die namensgebend für die dort entstandene EP ist. „Wir sind zusammengekommen, als wir beide in einer schwierigen Zeit waren“, erinnert sich Paul Jacobi - und so werden die schon erwähnten 23 m² zum Dreh und Angelpunkt sämtlicher Geschehnisse und Gefühle, die schönen, genau wie die schlechten. Das wird schon im als Opener fungierenden Titelstück klar. Verhalten, zwischen Reue und Reflexion, erzählt Paul Jacobi zu sanft wummernden Beats und melancholischen Samples vom Ankommen in diesem Raum, der eigentlich gar nicht seiner ist und doch mehr und mehr von ihm und seinen Emotionen eingenommen wird – solange, bis irgendwann gar kein Platz mehr ist. Wäre da nicht dieser andere Mensch, der auch dann noch bleibt, wenn man selbst praktisch schon gar nicht mehr existent ist. Zwischen mentalen Problemen, Beziehungs-Struggles und Findungsphasen blitzen mit der Zeit, aber immer wieder auch die Momente, in denen einfach mal alles passt. Wo alles da ist, wo in der warmen kleinen Einzimmerwohnung scheinbar nichts fehlt. Und wenn man doch noch was braucht, gibt es das sicher an der Tanke vorm Haus. Diese bläulich schimmernde Oase im grauen Draußen, dessen besonderen Zauber Paul Jacobi in „Aral“ beschreibt. Und nach und nach wird dieser viel zu kleine Raum auf einmal riesengroß, ja, unendlich weit. Ein „Himmelbett“, in dem alles möglich scheint. Zu wolkenweichen Synths erinnert Paul Jacobi heiligen Wein, Zärtlichkeiten und wilden Sex auf blütenweißen Laken. Ganz im Hier und Jetzt und doch für die Ewigkeit. Ein bisschen Heilung, ein bisschen Hoffnung. Wer braucht da noch Dating-Apps? Eine neue Zuversicht, die im mitreißenden „Hafenstraße“ mündet. Keine Zweifel, keine Reue, keine Ängste oder Sorgen, sondern einfach tiefe Dankbarkeit für diesen einen Menschen und das gemeinsame Glück, das aus diesen intensiven Jahren entstanden ist. Die Belohnung fürs zusammenhalten, beieinander bleiben und miteinander wachsen.
Links:
www.pauljacobi.de
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