Nichtseattle

Berlins wichtigste Songschreiberin Katharina Kollmann alias Nichtseattle hat ihr jüngstes, ihr drittes Studioalbum „Haus“ benannt, auch wenn das Haus auf dem Cover-Artwork ein Zelt ist; Ausdruck von Behausung, aber auch Vereinzelung, Unsicherheit, Prekarität. Womit gleich einige der Fragen vorweggenommen wären, die das Album aufwirft. Das Haus ist ein wiederkehrender Topos in der Popmusik. Von Crosby, Stills, Nash & Young über Madness bis Harry Styles wurde es besungen. Ein ganzes Genre danach benannt: „House Music“. Auch Kammermusik fällt einem ein, schließlich besteht so ein Haus aus vielen unterschiedlichen Räumen. Behausungswörter überall! Die Suche nach einem Zuhause scheint elementar und universell. Auch die Berliner Songschreiberin Katharina Kollmann alias Nichtseattle hat ihr jüngstes, ihr drittes Studioalbum danach benannt: „Haus“, auch wenn das Haus auf dem Cover-Artwork ein Zelt ist; Ausdruck von Behausung, aber auch Vereinzelung, Unsicherheit, Prekarität. Womit gleich einige der Fragen vorweggenommen wären, die das Album aufwirft. Aber der Reihe nach: „Haus“ enthält 12 Lieder, die sich nicht nur mit der unterschiedlichen Beschaffenheit von Häusern und ihren Zimmern auseinandersetzen, sondern vor allem von den Gefühlswelten ihrer Bewohner:innen erzählen. Da gibt es diesen Hipster-Typen, der viel von Ästhetik und wenig von Liebe versteht. Es gibt eine alte, immer ordentlich gekleidete Frau mit traurigem Blick, die mit einem fast automatischen Lächeln und einem Panzer aus Würde ausgestattet ist, den sie sich im Laufe ihres Lebens in einer patriarchalen Welt zugelegt hat. Und eine jüngere Frau mit Arbeitshosen, sehnigen und wunden Händen, die dieser Lebensrealität entkommen will und schließlich rauchend und überfordert vor ihrer Utopie eines selbst zusammengezimmerten Hauses steht. Es gibt einen mittelalten Mann, der immerzu auf dem Sprung zu sein scheint, unter keinem Dach, hinter keiner Tür seine Schuhe auszieht, immer getrieben ist von eigenen oder gesellschaftlichen Ansprüchen, immer fleißig, und der trotz seines Herrenanzugs einen runtergekommenen Eindruck macht. Es gibt ein kleines Mädchen, das sich selbst den Sportbeutel um die Beine schlägt, alleine auf dem Weg zur Schule, so in Tagträumen vertieft, dass es ohne zu gucken über eine große Straße geht und fast angefahren wird. Es gibt einen Nachbarschaftschor, der im Gegensatz zu vielen anderen Figuren im Haus, das Leben und das Zusammensein zu genießen weiß, der singt und tanzt und weit entfernt davon ist, aufzuhören. Und es gibt verschiedene Augenpaare, solche, die freudig strahlen, solche, die nervös und nie geradeaus schauen, solche, die in ihr Gegenüber eintauchen und solche, in denen nur kurz Ruhe zu finden ist. Es deutet sich an, dass das Zuhause keine Wohnform und kein Lebenskonzept ist, sondern in so etwas wie Liebe und Beziehungsfähigkeit schlummert, etwas das nicht nur romantische Zweierbeziehung meint, sondern etwas Fundamentales, das Solidarität und Verbindung schaffen kann, wo und wie auch immer man ist. Etwas das zu kurz kommt, in einer Zeit, in der alle um die eigene Behausung zu ringen gedrängt sind. Ein Haus ist kein Ding, sondern ein Verhältnis.

 

 

 

 

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