Marcel Gein

Der 87er Marcel Gein wuchs in dem beschaulichen Nest Erlenbach auf und siedelte mit Mitte zwanzig nach Hamburg um. Unter seinem Alter Ego "Perry O'Parson" veröffentlichte er diverse Alben ehe er 2015 sein deutschsprachiges Debüt "Passanten" bei tapete records veröffentlichte. Er ist Elektro-Gitarrist für den Amerikaner Rocky Votolato, leistet eine Weile Spaceman Spiff auf Tour Gesellschaft und war Gast beim Wohnzimmer der Liederschreiberlingen TV Noir. Sein neues Album "Good Morning Erlenbach" erzählt auf seine eigene musikalische Art und Weise skurril-schöne Geschichten, "von denen sonst niemand jemals erfahren hätte" (Zitat Nicholas Müller, Jupiter Jones / von Brücken). Anhänger von Eels, Pinback oder Andreas Dorau werden sicherlich ihre helle Freude daran haben. Letzterer lieh Gein sogar sein Stimmchen beim Eröffnungsstück "Chance". - "Das waren nur Kinder, die Dummheiten gemacht haben", sagte Henry Schramm, der Oberbürgermeister der fränkischen Stadt Kulmbach. „Nur Kinder“ – und die haben nur fast mit Sprit und einem Bunsenbrenner die Nachbarschaft abgefackelt und weil es sie so wütend gemacht hat, dass sie’s dann nicht selber löschen konnten, haben sie einen Keller geflutet. Und danach mit Gartenschere und Sprühdose bewaffnet die Gegend verziert. Irgendeine Nachbarin hat sie dann wohl doch gesehen und die Polizei gerufen. Es sind Geschichten wie diese. Geschichten, die fehlen würden, von denen ihr sonst niemals erfahren hättet, wenn ihr Marcel Gein nicht hört. Denn absolut überhaupt niemand sonst setzt sich doch hin und sortiert so akribisch seinen Fundus an absurden Stories und großen, großartigen Nichtigkeiten, wie mein Freund Marcel das tut. Ihr dürft die 90er-Indie-Beats doof finden, ihr dürft euch fragen, warum das Klavier da so wenig swingt, ihr dürft euch vielleicht sogar darüber beschweren, dass sich das alles die meiste Zeit gar nicht reimt. Aber ihr dürft nicht die Liebe negieren, die in „Good Morning Erlenbach“ alles zerfetzt, was beim Zerfetzt werden die schönsten Geräusche macht. Sei’s die Story um die beiden Franken-Punks. Oder die Geschichte von Marc Griffin: Dem Typen, der Bulletball erfand und daran scheiterte. Marcs ganzes Geld, sein ganzes Glück und alle Hoffnung steckten in dieser Idee und niemand wollte davon hören. Den Marc, den hat’s hörbar zerbrochen und Marcel, der erzählt davon. Und er berichtet von „Opportunity“ – dem Marsrover, der sich nach 15 einsamen Jahren auf dem Mars – alleingelassen mit dem Auftrag, dort oben Wasser zu finden – selbst abschaltete. Verschüttet von rotem Sand, kein Ton mehr von da oben. Und wenn Marcel dann singt – von diesen ausgesuchte Analogien und Parabeln auf das Leben und seine Verwerfungen – dann hört sich das an als wäre er selbst für uns da oben gewesen! Denn es gibt Tage, da wachst du morgens auf und willst nicht mehr, als keine Kopfschmerzen und dass es irgendwie vertraut riecht und nicht durchs Dach regnet. An solchen Tagen ist „Good Morning Erlenbach“ die Wendemütze für dein müdes Haupt, weil all die Geschichten dir gleichermaßen die Welt erklären und dann eben auch nicht mehr wollen, als Geschichten zu sein. In manchen Momenten erinnert mich Marcel dabei an John K. Samson, manchmal auch an den absurden Genius eines Andreas Dorau, der dann auch gleich beim Opener „Chance“ mitsingen darf. Dann wieder erinnert er mich an nichts außer ihn selbst und in den Momenten gehen Herz und Sonne so richtig auf. Die Musik mäandert stilistisch zwischen Onelinedrawing, als R2D2 noch die Beats gemacht hat (Hurra Hurra Gemeinschaft), den Elegien von Buddy und Tourgefährte Rocky Votolato (der auch mitsang, sogar gleich zum ersten mal auf deutsch, beim Closer „Ich verkaufe alles“) und Superpunk auf sehr guten Tranquilizern (Kinder außer Kontrolle). Deren Carsten Friedrichs hat dann auch gleich den Albumtitel gestiftet. Aufgenommen wurden die zwölf Stücke zusammen mit Jugend- und auch Erwachsenenfreund Julian Bätz (Helmet Lampshade) im allerkleinsten Kellerraum im Haus von Marcels Eltern. Meist bis in den frühen Morgen. In Erlenbach. Gemischt wurden die Lieder von Olaf O.P.A.L., gemastert von Kai Blankenberg. Fakt ist, dass man Marcel von weitem, bei schlechter Sicht und gegen den Wind erkennt. Das stimmt, dafür muss man nicht mal das große Gefasel vom originären Künstler anstimmen. Dafür reicht es, die Platte nach Zerkauen noch ne Woche lang zu schmecken und nen Ohrwurm zu haben, von diesem einen Song, der noch nicht mal nen richtigen Refrain hatte. Ich bin mir relativ sicher, dass wir alle einen Marcel Gein brauchen, wenn das mit uns was werden soll.

 

 

 

 

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