Madeline Juno

Alles sieht anders aus, wenn der Wald, den man vor lauter Bäumen nicht gesehen hat, hinter einem liegt. Die Angst ist noch warm, aber das Dickicht ist im Rückspiegel nicht mehr so gespenstisch. Unter dem Schmerz des letzten Albums, das locker in die Top 10 der Charts eingestiegen ist, hat MADELINE JUNO eine Lovestory mit sich selbst gefunden und ist dabei ein bisschen erwachsen geworden. NUR ZU BESUCH vertont eine neue Lebensphase aus brisanten Themen, lässiger Selbstironie und scharfkantigen Lyrics – mit fluoreszierendem Pop für die nächste Gefühlslawine. Für verwirrende Life Goals und unser aller altersunabhängigen, nie enden wollenden Growing Pains. Der Opener wappnet sich direkt mit einem Extra-Shot Humor und beweist, dass man der Causa Mental Health auch mit einem schiefen Grinsen begegnen kann: Kein Grund zur Panik – so war’s immer schon. Es ist nur SAD GIRL SHIT. Vielleicht das erste Mal so down mit sich selbst, zeigt die Berliner Songwriterin, dass NUR ZU BESUCH Zeitstempel großer Veränderung ist: „Ich bin an einem Ort angekommen, an dem ich mich nicht mehr ganz so ernst nehmen und mein Innerstes auch mit Augenzwinkern betrachten kann: Love it or hate it – so bin ich eben. Angenehm ist es trotzdem nicht, aber es ist ein sanfter Launch Richtung Selbstakzeptanz.“ Ein völlig neues Universum, aus dem auch LOVESONG und GEWISSENLOS kommen, denn realistischer und cooler kann eine Pop- Abfuhr wohl kaum klingen. Tracks, die Laune machen, ohne ihre dunkle Vergangenheit zu leugnen. Etwas tiefer gräbt MURPHY’S LAW, der mit internationalem Sound und sinnlichem Beat ein Update von „99 Probleme“ ist, dem schwersten Song, den Maddie je geschrieben hat. „Es geht wieder um meine Geister, um Selbstsabotage, aber mit mehr Draufsicht. Ich bin nicht untergegangen, habe eine Therapie gemacht und lerne damit umzugehen. Und jetzt kann sich jeder anhören, was dabei rausgekommen ist.“ Gut, dass es Equipment gibt, denn auf neuem Territorium lauert auch Treibsand: VERSPRICH MIR DU GEHST, das Feature mit dem mysteriösen und extrem erfolgreichen Urban Pop-Phänomen 1986zig, und VERSION VON MIR beleuchten sie mit musikalischen Lumen aus warmweißem Synth-Glow und schummriger Intimsphäre, und müssen sich Erkenntnis erst erarbeiten. Besonders MITTE ZWANZIG, das bei aller Dramatik sonderbare Ruhe ausstrahlt: „Beim Aufnehmen der Vocals hatte ich den Bodensatz erreicht. Ich hatte das Gefühl, alles geht den Bach runter, bis mir klar wurde, dass es Vielen so geht und man da besser jetzt als nie durchmuss. Trotzdem wünsche ich mir manchmal, wieder Kind zu sein – als das Leben unkomplizierter war.“ Furchterregend unübersichtlich wird es in NUR ZU BESUCH, dem Titeltrack und bestürzenden Zwischenbilanz einer Familienkonstellation. „Es ist ein trauriger Song, der den Hörer unmittelbar mit auf die Reise nimmt. Produktionstechnisch wollte ich die Zuspitzung der Situation wiedergeben und gleichzeitig Intimität spürbar machen. Die Frage ist: Wann ist man fertig mit dem Erwachsen werden?“ Mit mörderischem Vocoder und Zeilen, die zielsicher Salz in jede nur erdenkliche Wunde streuen, gelingt MADELINE JUNO ein Song, der auch deswegen so gut ist, weil er richtig weh tut. Balsam für die Seele und Songs, die den Blick auf die Zukunft freigeben, sind ICH STERBE ZUERST, WAS WEISS ICH SCHON oder WAS ZU VERLIEREN. Ausgerüstet mit ihrem schon legendären ‚Feenstaub aus der Hölle‘ liebt Maddie sich um Kopf und Kragen, ohne ihren Selbstwert aus den Augen zu verlieren. Aber auch, wenn ihr Glück diesmal vielleicht hakenlos ist: Oberflächlich kann und will Maddie nicht und bringt zum Ende mit NICHT ICH noch einen Coming-of-Age-Soundtrack, der entwaffnender nicht sein könnte. „Ich liebe den Song und wünsche dem Menschen, für den ich ihn geschrieben habe, nur das Beste. Für mich ist er der perfekte Abspann: Der Rückblick auf eine komplexe Beziehung – aufrichtig und versöhnlich. Mit einer Mid 8, in die ich total verknallt bin.“ Apropos. Wie bei allem, das um ihre Musik herum passiert, übernimmt MADELINE JUNO immer entschlossener Regie und hat NUR ZU BESUCH mit ihrem langjährigen Weggefährten Joschka Bender produziert. „Wir kennen uns seit über zehn Jahren und können absolut ehrlich miteinander sein. Wir drehen Extrarunden und probieren so lange Sachen aus, bis sie das Gefühl perfekt treffen. Ich bin stolz auf das Wachstum auf diesem Album. Darauf, das auch abseitige Themen Platz haben. Für mich als Songwriterin ist es das Größte, wenn die Gedanken, die teilweise 1:1 aus meinem Therapietagebuch stammen, sich zu einem Bild formen, das andere nachvollziehen können. Das kann peinlich sein, aber eben auch ein unwiderrufliches Protokoll meiner Entwicklung. Am Ende des Tages ist es wunderschön, viele Menschen zu erreichen und meine Geschichten bei den Liveshows zusammen weiterzudenken – aber ich möchte einfach alles genießen wie es kommt.“ Und darum geht es: Auch wenn man sich im eigenen Leben manchmal NUR ZU BESUCH fühlt – man muss es lieben, dieses Atlantis aus Neugier, Schuld, Euphorie, Verzweiflung und Vertrauen, in das Maddie mit uns eintaucht und in dem wir uns immer weiter Richtung Selbsterkenntnis tasten. In einer Welt aus Insta und Influencern ist es selten, dass sich Menschen zeigen, wie sie sind. MADELINE JUNO gehört zur raren Spezies, die gar nicht anders kann, als authentisch zu sein und ist 2023 erfolgreicher denn je: Ihr jüngstes Album enterte die Charts auf #6, ihr Label ehrte sie für über eine Viertelmilliarde Streams, auf ihrer bisher größten Tour kamen jeden Abend tausende Fans und neben Festivals und TV- Auftritten bei zdf@Bauhaus oder TV Noir schrieb sie den Titelsong zum ZDF-Kinderfilm „Geheime Schatten“. Aber trotz Hitlisten, virtuoser Produktion und beinahe mühelos klingenden Songs bleibt ihre Maxime gleich: „If it don’t hurt, it ain’t real.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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