Luis Schwamm
Luis Schwamm
Im Elternhaus wurde der Geiger*innensohn Luis Schwamm mit Klavierinterpretationen von „Yesterday“ und mit „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord“ auf der Gitarre sozialisiert. Weil Luis keine Probleme in der Schule hatte, außer mit den Leuten dort, hat ihn bei erstbester Gelegenheit die US-amerikanische Emo- und Alternative-Szene der 90er und frühen 2000er gepackt und seitdem nicht losgelassen: Luis schreibt Lieder, weil es ihn dazu drängt, daher das Drängende in seinen Liedern. Wenn sie einmal da sind, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sie zu singen, egal, ob er sich dazu zu träge fühlt. In manchen jungen Kreativen löst das allgegenwärtige Missverhältnis zwischen Freiheit und Orientierungssinn, Handlungsbedarf und Aufmerksamkeitsökonomie etc. neben Phasen der „Gesellschaftskritik“ schlicht lähmende Überforderung aus. Luis Schwamm ist wohnhaft in Köln, die meiste Zeit aber sehr zerstreut. Er arbeitet in Studios und Wohnküchen, beim Spazierengehen und auf Bahnfahrten. Mit seinem Debütalbum „alte möbel und junge nervositäten“ pendelt er sich zwischen Intimität und Intensität, Pathos und Alltäglichkeit, emotionaler Dunkelheit und energetischem Optimismus bei einer organisch-intimen, zielsicher umgesetzten LoFi-Ästhetik ein, die an Songwriting-Vorbilder wie Elliott Smith oder Indie-Ikonen wie Phoebe Bridgers und die amerikanische Indie-Szene drumherum erinnert. So angenehm die Bariton-Stimme klingt, die sie singt, so weh tun Luis’ Songs zuweilen, einfach weil sie gut genug erzählt sind – bittersüße Biopsien der eigenen Irrungen und Wirrungen, bei denen man nicht weiß, ob man lachen, weinen oder mitsummen will. Der Album-Opener “nichtschwimmer” handelt von der Ruhe nach dem Sturm, nach dem Einbrechen der Fassaden, wenn die nüchterne Realität angeschwemmt vor den Füßen im Sand liegt und der Rest weggespült ist. Ein Folksong in zwei Strophen, in rauschiger LoFi-Atmosphäre schwimmend. Auf der Oberfläche glitzert die Sonne, hier und da zwitschern Vögel. In “Zweifel” spricht er über den allgegenwärtigen Zweifel an sich selbst, an der Welt und an der Zukunft – hauptsächlich jedoch an sich selbst. Es geht um das Zweifeln am Zweifel. Was bleibt übrig, wenn der Zweifel fertig ist? Fangfrage! Der Zweifel endet nicht. Eine Prognose, mit der sich arbeiten lässt – Schlagzeug und Bass rollen unbeeindruckt weiter, Klavier und Gitarren hüpfen darüber hinweg. Der Zweifel darf dabei sein, muss aber nicht die ganze Zeit im Mittelpunkt stehen. In “bist du das” spielen steady Drums, trompetende Synthies und federnde Gitarren. Cowboy-Schlager trifft New Wave. Was auf den ersten Blick ein optimistischer Alt-Country-Song ist, ist auf den zweiten ein trauriger Lovesong, der nicht weiß, ob er sich an eine Person oder ein Gefühl richtet, voller second guesses über das, was von einer glücklichen Liebesbeziehung übriggeblieben ist. Nirgends fühlt man sich so wohl und tut sich gleichzeitig so weh wie in den eigenen verklärten Erinnerungen. Am Ende steht die Kapitulation: “hab’s ein letztes Mal versucht / und dann mit Aufhören angefangen”. Ein lonesome Cowboy fährt seinen Golf mit stabilen 100km/h in den Sonnenuntergang. Für Fans von Blumfeld und Jimmy Eat World. “mühle” ist ein ambivalentes Versprechen, bald wieder aufzuhören – mit dem Rauchen, dem Trinken, mit schlechten Angewohnheiten, mit Arbeit, Leidenschaft, zwischenmenschlichen Beziehungen, der Musik. Schwer auseinanderzuhalten, was schadet und was gut ist, was Ablenkung ist und um was es eigentlich geht, wann Zeit ist, mit allem aufhören und ob es Gründe gibt, noch mal anzufangen. Ein Indie-Folksong über Arbeit und Liebe, Frustration und Selbstzerstörung.
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