Grundhass

Das vielleicht Schönste (und Seltenste), das man über eine Platte sagen kann, ist, dass sie Abfahrt und Intimität zusammenbringen kann. Grundhass aus Berlin geht dieses Kunststück allerdings ganz leicht von der Hand. Musik mit Punkhintergrund zum Zuhören und Durchdrehen. Es lebe die Irritation, es lebe die erschütterte Erwartung. Und so geht auch diese Story hier verstörend los: Denn mal ehrlich, Grundhass... da schwingt doch sofort Weltekel mit, da erwartet man düstere Vibes und Knüppel auf’n Kopp. Begegnet man allerdings Steffen Neumeister, der unter jenem verhaltensauffälligen Kampfnamen jetzt im Oktober sein zweites Album „Ganz OK“ veröffentlichen wird, bekommt man sofort gute Laune. Kein Scheiß. So ein netter Typ. Dem würde man ohne Rückfrage Brieftasche, Kreditkartendaten und das geliebte Haustier anvertrauen, jederzeit. Auf die Diskrepanz zwischen Namen und der eigenen Persona angesprochen, muss der urbane Musiker mit Dorfvergangenheit grinsen. Denn dass ein „Akustik-Heini“ (Selbstbeschreibung) unter so einem martialischen Begriff fungiert, ist nicht nur irritierend, sondern auch etwas, das man sich verdammt gut merken kann. Keine Frage: Wo Legionen egaler Rockbands vergeblich ihre absente Einzigartigkeit suchen, ist diese bei Grundhass Grundausstattung. Passenderweise fand auch das erste Konzert nicht in Deutschland sondern in Bristol statt. Eine Open Stage Veranstaltung, zu der Steffen von ein paar friends gedrängt wurde. Spätestens ab diesem Punkt wird Musik für ihn mehr als ein Lifestyle. Steffen hilft immer regelmäßiger bei der Band Montreal als Techniker, auch die eigenen Bühnenauftritte nehmen zu. Dennoch sollen bis zur ersten Platte „Wenig los“ einige Jahre vergehen. Jenes Album etabliert Grundhass im Pandemie-Jahr 2021 als sinistren Punkrockliedermacher, der sofort aus jedem Genre-Schema heraussticht. Nur ein Jahr später erscheint mit „Ganz OK“ nun die zweite Platte – und die ist trotz des erneuten Understatement-Titels alles andere als ein Sequel. Viel mehr reizt sie den Spielraum des Projekts weiter aus. Die partielle Lagerfeueranmutung des Debüts sieht sich eingetauscht gegen ein veritables Bandgefühl. Nicht umsonst eröffnet Steffen Live-Shows mit den Worten „Wir sind Grundhass“. Auch wenn letztlich er selbst dieses Projekt ist, sitzt hinter ihm am Schlagzeug regelmäßig Tonic. Gitarre, Stimme, Schlagzeug – da kann man schon einiges anrichten ... live wie auf Platte. Und das tun Grundhass dann auch. 2-Piece-Bands besitzen ohnehin einen besonderen Reiz, man denke nur an die Blood Red Shoes, Raveonettes oder an die White Stripes. Grundhass ist aber auf Nichts festgelegt sondern immer als ein fluides Ding zu verstehen. Eins, zwei, drei, viele. So hört man auf dem Eröffnungstrack zum Beispiel auch die Stimme von Sebastian Madsen als Gast: Das wunderschöne „Tag am Meer“ war der erste Song, der für die Platte entstand. Er macht auch gleich die Weiterentwicklung von Grundhass hörbar: Die Produktion bei Ole Fries (Pictures) lässt die Songs bandmäßig ballern. Die Kombination aus atemloser Faust-in-die-Luft-Atmosphäre und dem feinsinnigen Storytelling der Texte ist eine große Stärke der Platte. Doch auch wenn man Steffen und seine Kunst so einladend erlebt, wird hier nicht schnuffelige Harmlosigkeit aufgeführt. Uplifting-Songs wie „Dortmund“, „Die Ballade vom orangenen Lieferdienst“ oder „Fünf Minus Vier“ streuen immer auch Nägel aus - von heiler Welt mögen andere Platten erzählen, diese hier tut es nicht. „Ganz OK“ ist natürlich mehr als sein Titel verspricht, es ist die Platte, mit der sich Grundhass markiert als ein Songschreiber, den von Genre-Größen wie Muff Potter oder gar auch Farin Urlaub nicht viel trennt. „Ganz OK“ ist eine Platte, die zwischen Lagerfeuer und Stadion vermitteln kann und bei der man keine einzige Zeile verpassen will.

 

 

 

 

 

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