Fritzi Ernst
Fritzi Ernst
Ist doch wahr, eigentlich fing die ganze Scheiße mit dem ersten Schultag an. Und “Trauerkloß”, die dritte Single von Fritzi Ernsts Solodebüt “Keine Termine”, das am 11.06.2021 erscheinen wird, wirkt manchmal wie ein historisches Reenactment dieser Schultüten-Katastrophe, das zu hüpfenden Klavierakkorden um die Awkwardness des Klassenzimmers und den stummen Schrecken der letzten Schulbank kreist und dabei gnadenlos die eigene Lust- und Freudlosigkeit bejaht. Antriebslosigkeit als feature, not a bug. Schnipo Schranke, die alte Band von Fritzi Ernst, sangen “über Pisse und Sperma, doch der eigentliche Star in ihren Liedern [war] nicht der Pipi-Kaka-Humor sondern Versagens-Ängste, Depressionen und Psychosen” (detektor.fm). Mit dem Song “Pisse” landeten Schnipo Schranke in sämtlichen Jahrescharts, auf der Rock am Ring-Bühne, in ausverkauften Hallen, eine legendäre Kolumne im Musikexpress und bis heute in den Herzen aller Indie Pop-Fans. “Trauerkloß” beginnt mit der Einschulung, doch statt kindlicher Vorfreude und volle Schultüten erwartet uns hier vor allem eines: Müdigkeit. Und Angst: “Ich war doch immer brav, Mama? Darf ich zurück in meine Schlafkammer?” Zu sagen, dass in puncto Motivation noch Luft nach oben ist, klingt wie eine charmante Untertreibung, in puncto Coolness gilt aber schon in der Grundschule: “Erster Schultag, letzte Bank.” Die Sollbruchstellen dieser Coolness werden jedoch direkt mit ausgestellt, denn schon mit der Einschulung liegen die “Nerven blank”, vor allem wenn man zu allem Überfluss auch noch von “30 Gören” angestarrt wird und mit “Name sagen” dran ist. No front, aber manchmal wirkt “Trauerkloß” wie aus der Feder der schlechtgelaunten Zwillingsschwester von Rolf Zuckowski. Endlich. Der Refrain setzt sich im Kopf fest, vielleicht direkt neben den eigenen Grundschulerinnerungen, und bleibt dort fürs Erste. Genauso wie das Video von Frederike Wetzels und Julia Jesionek, das als Frontkamera-Bericht beginnt und nicht nur Stop-Motion-Animationen und (dringend auf Instagram benötigte) Trauerkloß-Face-Filter im Gepäck hat, sondern auch eine seit dem Song “Thüringer Klöße” des mitteldeutschen One-Hit-Wonders “Fritz” (2012) nicht mehr gesehene, schier unvorstellbare Menge an Klößen featuret. Und wenn sich zum Schluss das intime Klavierstück zur beinahe Sgt. Pepper's-haften Marching Band-Hymne mit Bläsern (Jakobus Durstewitz und Mense Reents, Die Vögel) aufschwingt, verlässt “Trauerkloß” die Enge der Gemeinschaftsgrundschulen: Plötzlich klingt es fast nach Kirmes, nach Jahrmarkt und mittendrin, disconnected from any fun: Fritzi Ernst. Der Thüringer Fritz hat seine nervigen Klöße noch hemmungslos abgekultet, bei Fritzi werden sie zur omnipräsenten Metapher für das eigene Betriebssystem: “Trauerkloß”, und das ist gut so.
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