Blinker
Blinker
Wer ist dieser Typ mit dem wasserstoffblonden Haaren und dem Achtziger-Swag? Mit den Liedern zwischen Romantik und Punk, Coming of Age und gerechter Wut über die Verhältnisse? Mit dem Namen wie ein Ausrufezeichen, wie grelles Neonlicht, das aber gleich schon wieder hinter der nächsten Ecke verschwunden ist? Es ist Blinker, der eigentlich natürlich ganz anders heißt. Aber Blinker, das passt. Du hörst hin und du kannst nicht mehr weghören. Er zieht dich in seinen Bann und er ist für dich da. Er versteht dich, denn er weiß, was du erlebt hast. Er nämlich auch. Unverständnis und Ablehnung. Auflehnung und Auseinandersetzungen. Erwachsen werden, für sich selbst, den eigenen Weg finden. Und zu wissen: es wird gut. Aufgewachsen in der südwestdeutschen Provinz, Bildungsbürgerhaushalt, das erste Instrument muss halt mit sechs schon sein. So weit, so deutsch. Nur war es bei ihm eben nicht die Blockflöte wie bei dir und mir. „Die habe ich direkt übersprungen, ich habe alles übersprungen“, erzählt er und lacht. Nein, während in der Familie Klavier und Geige, Cello und Bratsche gespielt wurden, setzt er sich gleich ans Schlagzeug. Passt: als Kind hat er Burgen gebaut und auf ihnen herumgetrommelt. Dann Töpfe. Dann eben das erste richtige Schlagzeug, in der fünften, sechsten Klasse folgt schon die erste eigene Band. Irgendwo im tiefsten Pfälzer Wald, wo die Straße aufhört. Dann hört ja auch keiner den Krach. In der Wascheküche wurden Songs geprobt, die ersten kamen noch vom Vater des Gitarristen. „Ich kann mich an Hits erinnern wie ‚Ich bin das Kind mit dem Kotelett um den Hals, damit wenigstens der Hund mit mir spielt‘. Düstere Sachen eigentlich, aber im drei-Akkorde-Popsong-Gewand, mehr war talentmäßig auch noch gar nicht drin“, erinnert sich Blinker. Hat aber gereicht, um auf der lokalen Kirmes einen 40-Minuten-Slot zu spielen. So viele Songs hatte die Schülerband aber noch gar nicht. Und der erwachsene Texter konnte auch nichts liefern. Macht nichts, schreibt er eben seine ersten eigenen Texte. Kann aber keiner singen, all die Silben, die Betonung. Also wird er eben zum singenden Schlagzeuger. Bela B. hat’s ja vorgemacht. Als dann dem Gitarristen die Akkorde ausgingen, bringt er sich eben E-Gitarre bei: „Dann habe ich irgendwann nicht nur Texte, sondern auch direkt noch die Akkorde zu den Texten geschrieben, was ungefähr so ähnlich ist wie den Song zu schreiben.“ Es folgten Umzüge. Neue Bands. Neue Projekte. Nochmal Umzüge. Die Musik wurde ambitionierter. Die Ziele auch. 2010 dann „Der Wieland“. Wie sein bürgerlicher Vorname. Aber trotzdem ist es vor allem ein Gemeinschaftsprojekt, mit den besten Freunden und so. 2014 spielen sie bei Rock am Ring und Rock im Park. Alle Zeichen stehen auf Los, aber daraus wird nichts. Zu verschieden die Ansprüche und die Ziele. Band-Breakup und -Heartbreak 2017. „In meinem Brustkorb schlägt ein kleines Bandherz“, meint Blinker, aber jetzt macht er Solo weiter. Muss auch vielleicht so sein, denn es ist Zeit für sein eigenes Projekt: Blinker. „Ich wusste sofort, dass das anders heißen musste und dass es auch anders wird. Schon allein aus Respekt vor der Sache“, erzählt er. Dafür eröffnen sich völlig neue Optionen: „Vorher habe ich Songs immer mit dem Gedanken daran geschrieben, wie wir das mit Schlagzeug, Gitarre und Bass umsetzen, aber wenn ich alleine unterwegs bin, dann kann ich erst mal alle Instrumente benutzen, auf die ich Lust habe.“ Mittlerweile lebt er auch in Mannheim. Popakademie. Der Musik den universitären Anstrich geben, damit es auch die liebe Familie versteht. Oder auch nicht. Egal. Denn wichtig ist vor allem, die Möglichkeit zu haben, einfach den ganzen Tag nur Musik zu machen und am eigenen Sound, an der eigenen Idee und an dem, wer man sein möchte, zu basteln. Scheißegal, was man in den Wohnzimmern zwischen Pfälzer Wald und Sauerland darüber denkt. Aber dann ist da auch Berlin. Klar, wo sonst soll es denn hingehen für einen Typen, der nichts anderes will, als seine Songs zu spielen und gehört zu werden. Er pendelt hin und her, verbringt irgendwann fast 120 Tage des Jahres im Zug, pennt auf irgendwelchen Sofas in Neukölln, trifft Leute, trinkt Kaffee. Aber vor allem schreibt er. Song um Song. Aber vor allem: Text um Text. Mal alleine geschrieben, mal mit friends wie Madleine Juno, Paula Hartmann, Marie Bothmer oder JPD. Künstler*innen, die den gleichen Film fahren, auf der gleichen Wellenlänge unterwegs sind. Songcamps unter Gleichgesinnten, voller Solidarität untereinander statt Retortenpop Das Ergebnis dieser Sessions? Erzählungen vom Zwischen den Stühlen sitzen, davon, der große und der kleine Bruder zu sein. Blinker, das ist der Typ, der sich viel zu viel Gedanken macht. Der im Bus linksaußen sitzt und die Musik hört, die sonst keiner gehört hat. Zu der man aber tanzen kann, zu der man genauso gut nachdenken wie auch vergessen kann. Musik für den schillernden Strobo und für den melancholischen Weg nach Hause. Songs über die erste große Liebe und die heftigen Emotionen, wie „True Love“. Über die Angst und den Mut, wie „Sag dem Leben“ oder „Gegen die Angst“. Musik von jemandem, der schon eine ganze Menge erlebt hat – wie etwa eine Krebserkrankung mit Mitte Zwanzig. Als eigentlich die große Karriere starten sollte. Und trotzdem, Blinker hat das überwunden. Und geht heute daraus stärker heraus. Volle Kraft ins Leben. Und vor allem: drüber reden statt Tabus. Sichtbar machen statt alleine leiden. Radikal ehrlich statt unter den Teppich gekehrt. Radikal emotional statt starr vor Angst, irgendein Gefühl zu spüren. Denn wann ist ein Mann ein Mann? Wenn er auf starre Rollenbilder und Gendergrenzen pfeift. Auf toxische Männlichkeit, das vermeintliche „stark“ und in Wahrheit doch ganz klein sein. Und lieber mit seinen Emotionen klarkommt statt sie zu verstecken. Dieses neue Männlichkeitsbild, was auch Kollegen wie Trille oder Drangsal, Sam Vance-Law, Search Yiu oder Lostboi Lino transportieren, das so sehr auch zum Identitätsfindungsprozess in der Stadt gehört, an dem neuen Ort, der auch Raum lässt, man selbst zu sein. Oder sich zu finden. Wer ist also Blinker? Ein Post-Punk im Neonlicht. Ein Rockstar im Werden. Ein Typ mit Geschichten, die manchmal schön sind und manchmal wehtun. Aber vor allem ist er dein bester Freund. Dein bester Freund gegen die Angst.
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